Im Heute glauben – Theologie in einer neuen Zeit / Teil 2
Heute möchte ich aus dem „CREDO – Für Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts“, einem Publik-Forum Dossier von Hans Küng, zusammengefasst von Jean-Louis Gindt, einige ausgewählte Passagen vorstellen, mittels derer die moderne Interpretation der heutigen Gegenwartstheologie deutlich erkennbar ist.
Dabei greife ich auf die beiden ersten Artikel aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis zurück, dessen antiquierte Sprachvarianten heute eher vielen Zeitgenossen unklar und unbegreiflich erscheinen.
Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde (…)
Gott, der allmächtige Vater?
Nach Auschwitz, dem Gulag und zwei Weltkriegen kann man nicht mehr vollmundig von „Gott, dem Allmächtigen“ reden. Im Neuen Testament bieten sich andere „christlichere“ Attribute an, die dem Prädikat „allmächtig“ vorzuziehen sind: „all-gütiger“, „all-erbarmender“ oder schlicht „lieber (guter) Gott“. Gott ist die Liebe (1. Joh. 4,8; 16). Auf die Frage nach Gott und dem Menschenleid kommen wir später zurück. (…)
Wir wissen heute, dass Gott kein Mann ist, dass alle Begriffe für Gott, auch das Wort „Vater“, nur Analogien und Metaphern, Symbole und Chiffren sind und dass keines der Symbole Gott „festlegt“. Da wir Menschen nun einmal keine höheren Namen haben als Menschennamen und uns „Vater“ und „Mutter“ mehr sagt als „das Absolute“ oder „das Sein selbst“, dürfen wir ganz einfach – zugleich nachpatriarchalisch, also Gottes Muttersein einschließend – beten: „Vater unser“, der uns Vater und Mutter in einem ist.
Gemeinsamer Gottesglaube
Das hier entwickelte Gottes- und Schöpfungsverständnis ist nicht nur für das Christentum gültig, sondern betrifft alle drei abrahamischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam. Gemeinsam ist ihnen der Glaube an den einen Gott Abrahams, die zielgerichtete Geschichtsschau, die prophetische Verkündigung und das Grundethos, Kern eines gemeinsamen Weltethos der Weltreligionen. Ein gemeinsames Engagement dieser drei Religionen für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit, für Menschenwürde und Menschenrechte ohne allen ständig drohenden religiösen Fanatismus ist dringend erforderlich. Aber auch die Religionen chinesischen und indischen Ursprungs erkennen und anerkennen ein Letztes, Höchstes oder Tiefstes, das alle Wirklichkeit bestimmt, ob „Schang-Ti“ (Herr in der Höhe), „T’ien“ (Himmel), „Tao“ (der Weg) oder „Brahman“ (das Absolute) genannt.
Im vernünftigen Vertrauen auf Gott besitze ich als Mensch einen festen Standpunkt, von dem aus ich zumindest „meine“ Welt bestimmen, bewegen und verändern kann. Die freie Bindung an dieses eine Absolute schenkt mir die große Freiheit gegenüber allem Relativen in dieser Welt.
Ich glaube an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria.
Glauben an eine Jungfrauengeburt?
Das Symbol des göttlichen Kindes, geboren aus der Jungfrau, ist der Hebräischen Bibel (Altes Testament) nicht bekannt. In der berühmten Immanuel-Wahrsagung des Propheten Jesaja (7,14) ist nur von einer „jungen Frau“ (hebr. „alma“) die Rede, die einen Sohn gebären wird, dem sie den Namen „Immanuel“ („Gott mit uns“) gibt. In der griechischen Übersetzung allerdings wird „alma“ fälschlicher Weise mit „parthenos“ („Jungfrau“) wieder-gegeben. Auf diese Weise ist das Glaubenssymbol der Jungfrauengeburt schließlich in die beiden Kindheitsgeschichten Jesu in den Evangelien von Matthäus und Lukas eingewandert.
(Anmerkung: Wenn wir also heute die Geburt Jesu der „Jungfrau“ Maria zuschreiben, dann entspricht das nicht der älteren hebräischen Fassung der alttestamentlichen Bibel. Wir können also die bekannte „Jungfrauengeburt“ = (griech. „parthenos“) bedenkenlos durch das hebr. „alma“ ersetzen, was dann die korrektere Übersetzung „…empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der jungen Frau Maria“ ermöglicht.)
Jungfrauengeburt – ein biologisches Faktum?
Bei den beiden Kindheitsgeschichten Jesu in den beiden genannten Evangelien (im Markus- und Johannesevangelium wird nichts über die Geburt Jesu berichtet) handelt es sich – so die heutige Bibelwissenschaft – um historisch ungesicherte, stark legendäre Erzählungen, um theologisch motivierte Bekenntnis- und Verkündigungsgeschichten. Sie besagen: Jesus ist der „Messias“ Israels, der neue Mose.
Man kann nicht bestreiten, dass die Jungfrauengeburt ein in der Antike von Ägypten bis nach Indien verbreiteter Mythos ist. Dennoch sind folgende Unterschiede signifikant:
- Der Heilige Geist wird nicht als zeugender Partner oder Vater, sondern als wirkende Kraft der Empfängnis Jesu verstanden.
- Die Ankündigung und Annahme des Empfängnisgeschehens bei Maria vollzieht sich in einem völlig unerotischen, vergeistigten Kontext, im Wort, ohne eine Vermischung von Gott und Mensch. Maria erscheint als begnadetes Menschenwesen.
Diese Erzählung ist kein Bericht von einem biologischen Faktum, sondern ist die Deutung von Wirklichkeit mit Hilfe eines Ursymbols. Ein sehr sinnträchtiges Symbol für die Aussage: Mit Jesus ist von Gott her ein wahrhaft neuer Anfang gemacht worden. Ursprung und Bedeutung von Jesu Person und Geschick erklären sich nicht alleine aus dem innerweltlichen Geschichtsablauf, sondern sind für den glaubenden Menschen letztlich aus dem Handeln Gottes zu verstehen.
Wolfgang Kitze, Diakon
Bild Dr. Paulus Decker by Pfarrbriefservice.de